Besuch bei der ASTRA-Betreibergesellschaft SES in Betzdorf/Luxemburg am 8. März 1996

Das Satelliten-Kontrollzentrum der SES in Betzdorf

Organisation, Überwachung und Steuerung der Astra-Satelliten – Besuch des Satelliten-Beobachter-Clubs e.V. in der ASTRA-Bodenkontrollstartion im luxemburgischen Betzdorf

Anfang März nahm der Satelliten-Beobachter-Club e.V. erneut die Möglichkeit wahr, das Satelliten-Kontrollzentrum der SES (Société Européenne des Satellites), Betreiberin des ASTRA-Satellitensystems mit Sitz im luxemburgischen Betzdorf, eingehend zu besichtigen. Dabei konnten die dreißig Teilnehmer des diesjährigen SBC e.V.-Frühjahrstreffen neben Gesprächen mit den Marketing- und Technikspezialisten der SES informieren, sondern auch das SOC (Satellite Operational Centre) und das neu errichtete ASTRA-Digital-Sendezentrum DINO der Bodenkontrollstation besuchen.

Foto: Frank Mehrtens … Satelliten – TV – Anlagen

 

(c) by SES Astra

Bevor Sie jetzt zum Telefonhörer greifen um bei ASTRA einen Besuchstermin zu vereinbaren:
Aus Sicherheitsgründen sind bei der SES grundsätzliche keine Führungen für Einzelpersonen möglich.
Die Besuchsmöglichkeit für den SBC stellt eine (leider seltene) Ausnahme dar.

Das Satelliten-Kontrollzentrum der SES in Betzdorf nutzt als Stammgebäude das Chateau de Betzdorf, wenige Kilometer außerhalb der Gemeinde Betzdorf innerhalb eines Waldgebietes gelegen. Von dort aus werden die Position der bereits im All befindlichen Satelliten ASTRA 1A bis 1E (kopositioniert auf 19,2° Ost) und in Kürze auch des soeben gestarteten sechsten SES-Satelliten ASTRA 1F, rund um die Uhr kontrolliert und gesteuert sowie eine große Anzahl an Fernseh- und Radioprogrammen direkt zu den ASTRA-Satelliten gesendet. Alle TV-Programmkanäle des ASTRA-Systems, die Transponder, werden in Betzdorf in einwandfreien Betrieb überwacht. Zudem wird in der luxemburgischen Zentrale die technische Planung für den Ausbau des Satellitensystems und das europäische ASTRA-Marketing-Konzept entwickelt.

Back-Up-Betriebssicherheit:
Durch das strategisch geschickte System auf einer Satellitenposition Regelbetrieb und Backup-Kapazität zur Verfügung zu stellen, erreicht die SES mit den ASTRA-Satelliten eine hohe Redundanz. Falls ein Transponder gestört sein sollte oder wegen technischer Probleme ein Kanal auf einem ASTRA-Satelliten abgeschalten werden muß, kann innerhalb weniger Minuten auf einen Ersatz-Repeater auf demselben oder weiteren ASTRA-Satelliten bei gleicher Sendefrequenz umgeschalten werden. So werden z.B. aufgrund von Problemen im Temperaturhaushalt von ASTRA 1A die Programme Eurosport und MTV Europe bereits jetzt auf Ersatzfrequenzen über ASTRA 1C ausgestrahlt, natürlich ohne daß dies negative Einflüsse auf die Signalqualität hätte – eher im Gegenteil. Da die gleiche Frequenz für diese Abstrahlung genutzt wird, dürfte, der Großteil der ASTRA-Empfangsanlagenbesitzer nichts von dem Wechsel bemerkt haben.

Zweite ASTRA-Position und zweite ASTRA-Satellitengeneration:
Zum Ausbau der Satellitendienste und Aufbau einer zweiten ASTRA-Position hat die SES vor einigen Monaten bereits acht weitere Orbitpositionen östlich von 19,2° Ost über die Regierung des Großherzugtums Luxemburg bei der ITU in Genf beantragt. Die ASTRA-Betreibergesellschaft rechnet damit, zwischen ein bis drei Positionen zugeteilt zu bekommen, wovon eine zwischen 24° und 28° östlicher Länge liegt. Damit wäre ein Multifeed-Empfang, zusammen mit 19,2° Ost, möglich. Zum Betriebsende des ersten ASTRA-Satelliten, ASTRA 1A, der am 11. Dezember 1988 gestartet wurde und vorraussichtlich im Jahr 1999 das Ende seiner nominellen Betriebsdauer sein Lebenszeitende erreicht haben wird, soll dieser einige Monate vorher aus dem System auf 19,2° Ost entfernt werden und im „inclined Orbit“ für wenige Jahre auf einer der beantragten Positionen Übertragung von SNG-Dienste ermöglichen.

Die Satelliten der künftigen Generation, ASTRA 2, sollen nach ihrer Fertigstellung auf einer der neuen Positionen für die SES Märkte öffnen, die bislang nur schwer erreicht wurden. Dazu gehört inbesondere das osteuropäische Gebiet. Den Zuschlag zum Bau der neuen ASTRA-Generation hat momentan noch kein Satellitenhersteller erhalten, in einer engeren Auswahl stehen aber zwei europäische und eine amerikanische Firma, vermutlich Hughes. Zudem werden die neuen ASTRA-Satelliten gemäß der SES-Planung (eventuelle Konfigurationen) neben der gewohnten Back-Up-Redundanz über viele technische Neuerungen verfügen:

Ein Satellit wird bei deutlich höherer Leistung (GaAs-Sonnenpaddel) pro Kanal noch weitere zusätzliche Transponder an Bord haben.

Das „On-Board-Processing“ (Verarbeitung und Umschaltmöglichkeiten für die zum Satelliten aufgestrahlten Signale in Kommunikationsmodul der Satelliten) wird die Uplinktechnik und den Empfang von Digital-TV erleichtern.

„Inter-Satellite-Links“ (Übertragungen von einem Satelliten zum nächsten) können die Satelliten-Übertragungsstrecken verkürzen und verbilligen, da eine Relaisstation bei Interkontinental-Verbindungen entfällt.

Ka-Band-Transponder (Downlink im 20 GHz-Bereich) öffnen diesen bislang wenig genutzten Frequenzbereich für professionelle Anwender.

SOC (Satellite Operational Centre):
Das Satellite Operational Centre ist das eigentliche Herzstück der gesamten Anlage in Betzdorf. Von dieser Zentrale aus werden die im All befindlichen ASTRA-Satelliten überwacht und gesteuert, sowie neugestartete Satelliten während ihrer Positionierungsphase kontolliert und geflogen. Im SOC befinden sich drei getrennte Bedienfelder zur Steuerung. Für die beiden ältesten Satelliten ASTRA 1A und ASTRA 1B (Hersteller: GE Astro) stehen zwei sowie für die Hughes-Satelliten ASTRA 1C bis 1H ein gemeinsames Panel bereit. Alle wichtigen Kontroll- und Steuerungseinheiten sind doppelt, meist sogar dreifach vorhanden, um die erforderliche Redundanz auch am Boden zu komplettieren.

Das SOC beobachtet im Normalbetrieb nur die stabile Lage der Satelliten auf 19,2° Ost (Toleranz: ± 0,1 Grad) im Orbit, unter Normalbedingungen sind Korrekturen pro Satellit nur einmal innerhalb von zehn Tagen notwendig. Bestimmte Satelliten-Konstellationen, die sich durch die Kopositionierung von mehreren Satelliten ergeben, wie z.B. Abschattungen durch eine Position übereinander oder Annäherungen auf unter 20 km, werden durch rechtzeitige Befehle an den Satelliten mit Bahnkorrekturen verhindert.

Um die zukünftigen Planungen der Kopositionierung fortzuführen und zu trainieren, flog das SOC im Vorgriff auf den mittlerweile erfolgreich durchgeführten Start von ASTRA 1F zum Zeitpunkt des SBC-Besuches der ASTRA-Bodenkontrollstartion schon mit einem imaginären sechsten Satelliten.

Uplink-Einheiten:
Die SES verfügt in Betzdorf zu Zeit über sechs getrennte Uplink-Einheiten sowie zwei Ersatzsysteme, von denen eine zur Flugüberwachung von neugestarteten ASTRA-Satelliten genutzt wird. Die Größe der Sendereflektoren beträgt 9,5 Meter für ASTRA 1A, 9,0 Meter für ASTRA 1B und 11,0 Metern für die weiteren ASTRA-Satelliten.

Für den Uplink der Fernsehprogramme würden zwar schon kleinere Antennensysteme genügen, zur Verfolgung der Bakenfrequenz und zum reibungslosen Austausch der Telemetrie- und Telekommandosignale (ebenso im Ku-Band) werden diese Großantennen benötigt. Zur genauen Focussierung der Antennen besitzen die Sendereflektoren ausnahmslos eine Nachführung über zwei Achsen. Die Sendeleistung, zum Satelliten hin, liegt bei normalem Wetter pro Transponder zwischen 70 und 85 Watt.

DINO:
Das neue digitale Sendezentrum DINO überwacht von Betzdorf aus alle digitalen Signale in Bild und Ton, die über die neuen digitalen Satelliten ASTRA 1E sowie zukünftig ASTRA 1F und 1G ausgestrahlt werden. Die beiden öffentlich-rechtlichen Programme ARD und ZDF werden von DINO digitalisiert und über einen Teiltransponder von ASTRA 1E ausgestrahlt.

Dabei wird nur für das Programm der ARD ein „Re-Uplink“ durchgeführt, das ZDF-Programm hingegen wird über eine Glasfaserleitung von Mainz nach Betzdorf überspielt und dort zu den Satelliten geschickt. Anfang März waren die Programmpakete von Canal +, der Nethold-Gruppe sowie ARD/ZDF und der ASTRA-Infotrailer digital über ASTRA 1E zu empfangen.

Schlußwort:
Der Satelliten-Beobachter-Club e.V. bedankt sich besonders für die professionelle Führung durch den technischen Teil bei SES-Equipment Design Manager Frits Schreuder, sowie bei den drei Marketingbeauftragten der SES, Frau Payel, Herrn Hoppe und Herrn Schürmann, für die Beantwortung unserer zahlreicher Fragen.

Weitere Infos zum SBC e.V.:
Internet:     http://www.sbc-online.de
E-Mail:     sbc@sbc-online.de

Dieser Artikel wurde 1996 von SBC-Mitglied Andreas Voigt geschrieben.